Kremser Literaturforum
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

Sie sind nicht verbunden. Loggen Sie sich ein oder registrieren Sie sich

Sibylle Lewitscharoff: Killmousky. Berlin 2014

Nach unten  Nachricht [Seite 1 von 1]

Maria Schiffinger

Maria Schiffinger

Ich gebe es zu! Ich liebe die amerikanischen Krimis von früher und ihre Detektive. Mein besonderer Liebling ist Ross Macdonald und sein wortkarger Privatdetektiv Lew Archer. Ihn begleitete ich in den 70er Jahren bei der Lösung so mancher Fälle. Keine Rede davon, dass der Bösewicht bereits bekannt war, das interessante war, dass man im gleichen Moment wie Lew Archer den Zusammenhang begriff. Der Fall löste sich auf wie ein Kreuzworträtsel, setzte sich plötzlich zusammen wie ein Puzzle, dessen Hintergrund Kalifornien war. Kalifornien lag so weit weg und war mir doch vertraut. "Auf der Sepulva herrschte leichter Morgenverkehr. Als ich über den Paß fuhr, ging über den blauen Klippen auf der andern Seite des Tals glutrot die Sonne auf. Bevor der Tag richtig begann, sah ein oder zwei Minuten lang alles frisch und neu und erhaben aus wie am ersten Tag der Schöpfung. Ich verließ die Autobahn am Canoga Park, hielt an einem Drive-in und nahm ein Neunundneunzig-Cent-Frühstück zu mir. Dann fuhr ich nach Woodland Hills hinauf zu den Sebastians. Keith Sebastian hatte mir genau beschrieben, wie ich sein Haus finden würde. Es war ein rechteckiger, moderner, an einem Berghang angebauter Bunbalow. Der Hang fiel steil zum Rand eines Golfplatzes ab, der grün vom ersten Winterregen war". (RossMacdonald: Durchgebrannt. Zürich 1970, S 5).

Aus diesem Grund besorgte ich mir gleich den neuen Roman von Sibylle Lewitscharoff, Killmousky. Dieser würde in der Tradition der amerikanischen Autoren, wie Chandler und Dashiell Hammit geschrieben sein. Es klang interessant. Ellwanger, ein ehemaliger Kriminalhauptkommissar, übernimmt einen Auftrag in New York und soll einen Selbstmord einer jungen reichen Frau aufklären, wobei der Ehemann verdächtig wird, nachgeholfen zu haben. Ellwanger ist ein Anhänger von Inspector Barnaby . Er zeigt sich daher nur kurz von New York beeindruckt, das er im Winter kennenlernt. Es schneite wieder. An diesem Abend ist er allein unterwegs. Ellwanger stellt sich auf einen langen Spaziergang ein. Er hatte sich vorgenommen, die 5th Avenue hinunterzugehen Richtung Battery Park bis zu der Stelle, wo früher die Twin Towers gestanden hatten.

" Die hoch aufschießenden Häuser zu beiden Seiten der Straße hatten nichts Beängstigendes, im Gegenteil, ihre Höhe stieg ihm in den Kopf und bewirkte, dass er sich selbst größer vorkam, keineswegs wie ein Zwerg. Weil die Wolkenkratzer von innen leuchteten, sah man die Schneeflocken aus großer Höhe herabtrudeln. Ellwangers Schritte waren nicht mehr die eines Kriminalbeamten in München, der es eilig hatte, in sein Büro zu kommen, die Schritte kamen ihm vor, als wäre eine pneumatische Federung in seine Schuhe eingebaut, die ihn durch diese aufregende Straße mit einem winzigen Hüpfelan trugen." (Sibylle Lewitscharoff: Killmousky, S 58)

Beim nächsten Aufenthalt ist Ellwanger schon wieder der gleiche, nur seinen Auftraggebern angepasst, mit einem neuen Koffer, einer neuen Zahnbürste und in einem neuen Sakko. Ellwanger spult die Aufklärung seines Falls herunter, comme il faut. Er folgt der Spur wie eine Katze dem Faden eines Wollknäuels. Auf Ende ist der Fall gelöst und der Leser etwas unbefriedigt. Warum eigentlich? Vielleicht weil Ellwanger zu sehr um sich selbst kreist, weil er den Fall nicht ernst nimmt, ein müdes Plagiat seiner Vorbilder?

Der Fall ist gelöst, der Detektiv bekommt das Geld.
Lew Archer: "Kaum war der Schuß gefallen, als Aubrey ins Haus eilte. Er verhaftete die beiden und führte sie unter Mordverdacht ab. Später schlenderte ich über den von nachtschwärmenden Jugendlichen wimmelnden Strip und kletterte die Treppen zu meinem Büro hoch. Das kalte Huhn, das ich mit einem Schluck Whisky hinunterspülte, schmeckte besser als erwartet. Ich nahm einen zweiten Schluck zur Nervenstärkung. Dann holte ich Mrs. Marburgs Scheck aus dem Safe. Ich zerriß ihn in kleine Schnitzel und warf die gelben Konfetti aus dem Fenster. Sie schwebten hinab auf kurze Haare und lange Haare, auf Hasch-Typen und auf LSD-Typen, auf Dienstverweigerer und Dollarjäger, auf Swingers und Verknöcherte, auf verrückte Heilige, hartgesottene Brüder und törichte Jungfrauen." (RossMacdonald, S 363-364)

Ellwanger fliegt nach dem Lösen des Falls nach Hause, nach Deutschland und freut sich schon auf seine Katze Killmousky. "Als sie über Grönland flogen, öffnete Ellwanger den Umschlag, den ihm Arrowsmith gegeben hatte. Es befand sich ein Scheck darin, mit einer Summe, die das vereinbarte Honorar bei weitem überstieg. Davon sollte Killmousky auch etwas haben. Damit ihre Beziehung wieder ins Lot kam, würde er seinen Kater mindestens eine Woche lang mit Gourmet-Futter verwöhnen, mit feingehackter Leber oder Fisch oder Herz."

Ja, die amerikanischen Detektive und das Verbrechen sind der Globalisierung zum Opfer gefallen. Es gibt kein Amerika mehr so wie früher – alles ist deutsche Provinz.

http://www.kremser-literaturforum.at

Nach oben  Nachricht [Seite 1 von 1]

Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten